Genehmigungspflicht trotz Leid? Was sich bei Cannabis in der Palliativversorgung geändert hat

Erstellt am:14.08.2025- Zuletzt aktualisiert:14.08.2025

Ein palliativ versorgter Patient ringt nachts mit Übelkeit, Angst und Schmerz – das Team plant eine Therapie mit Medizinischem Cannabis, doch die Kasse prüft erst die Genehmigung. In der Speziellen Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) geht es heute schneller: Hier ist keine Genehmigung mehr nötig – Linderung kann zeitnah beginnen. Wo keine SAPV läuft, greift immerhin eine verkürzte Prüffrist von nur 3 Tagen, damit Betroffene nicht wochenlang warten müssen. Prof. Dr. Sven Gottschling, langjähriger Palliativmediziner, bestätigt: Erleichterungen helfen, doch Hürden mit Krankenkassen bleiben – besonders außerhalb der SAPV.

Prof. Dr. Sven Gottschling über Mediznisches Cannabis, die Stigmata und die Rechtslage zur Verordnung in der Palliativmedizin

Diese ExpertInnen wurden für diesen Beitrag interviewed

  • SAPV: Keine Genehmigung nötig – Cannabis kann sofort verordnet werden.
  • AAPV/Anschluss stationär: 3‑Tage‑Prüffrist für die Erstgenehmigung.
  • Qualifizierte Ärzt:innen (z. B. Palliativmedizin): Erstverordnung ohne Genehmigung seit 17.10.2024.
  • Erstverordnung sonst: Genehmigung nötig; Folgeverordnungen und Dosisanpassungen ohne Genehmigung.
  • Priorität: Geeignete Fertigarzneimittel vor Blüte/Extrakt prüfen und begründen.
  • Antrag stärken: Indikation, Vorbehandlungen, klare Ziele, Monitoring (3 Monate engmaschig).
  • Praxislage: Kassenkonflikte und Blütenengpässe möglich; Extrakte oft verfügbar.

Mein Name ist Prof. Dr. Sven Gottschling. Ich bin hier am Zentrum für all das Übergreifende Palliativmedizin Kinder Schmerztherapie an Uniklinikum des Saarlandes in Homburg darf diesen Bereich leiten. Ich bin von Haus aus eigentlich Kinderarzt, war die ersten zehn Jahre meines Berufslebens Kinder Onkologe und mache jetzt seit 2010 Schmerzmedizin, Palliativmedizin, Komplementärmedizin. Also das heißt viel Akupunktur, andere Geschichten und bin aber von Minute eins an als Arzt im Bereich Cannabis basierter Arzneimitteltherapie tätig und ich das schon sehr früh in der Kinderonkologie kennengelernt habe.

Den Einsatz als Medikament gegen Übelkeit oder auch gegen ungewollten Gewichtsverlust bei Kindern mit Krebserkrankungen. Also ich habe tatsächlich als ganz, ganz, ganz junger Arzt in meiner ersten Berufswoche in der Kinderonkologie zwei Patienten mit betreut, die von den ganz erfahrenen Kollegen und meinem damaligen Chef mit THC behandelt wurden. Bei nicht stillbarer Übelkeit und einer sehr aggressiven Chemotherapie. Das war ein Kind und das andere Kind hatte einen dramatischen Gewichtsverlust.

Und es war damals schon klar, dass das prognostisch hinsichtlich der Überleben swahrscheinlichkeit eine Rolle spielt, dass wir irgendwie noch mal ein paar Kilo an dieses arme Kind dran bekommen und auch da habe ich den Einsatz von THC zur Appetitssteigerung erlebt und hab einfach total früh super positive Effekte gesehen und hatte eigentlich direkt auch einen Zugang zu Cannabinoiden und bin da auch sehr früh in sehr vorurteilsarm bis vorurteilsfrei an das Thema dran.

Ich finde es super wesentlich, dass man auf jeden Fall differenziert zwischen Cannabinoiden im medizinischen Einsatz und Cannabis als Freizeit Rauschmittel. Das ist genauso unterschiedlich wie Morphin als Schmerzmittel und Heroin als Droge. Und gerade beim Thema Cannabis finden hier einfach unglaublich viele Vermischungen statt. Es wird nicht klar differenziert zwischen Freizeitanwendungen, Genussmittel, Rauschmittel und medizinischem Einsatz. Und es ist glaube ich auch vielen Kollegen weiterhin nicht so wirklich bewusst, welchen Stellenwert Cannabinoide in der echten medizinischen Versorgung bei Menschen mit gravierenden Problemen hat.

Beim Morphin ist das jedem klar, dass das unverzichtbar ist. Bei Cannabis müssen wir hier noch ein bisschen mehr Aufklärungsarbeit leisten. Und ich würde mir schon wünschen, dass die Kollegen verstehen, dass wir hierfür eine ganze Reihe belastender Symptome, eine exzellente zusätzliche Behandlungsoption haben, die gut verträglich ist, die nebenwirkungsarm ist und die auch wenig Interaktionsrisiko mit anderen Medikamenten bietet und die bis heute noch keinen einzigen Todesfall jemals und weltweit verursacht hat.

Also von dem her darf man auch mit einem sehr sicheren Gefühl an das Thema herangehen. Also ich erkläre Patienten immer, dass Cannab inoide zu den wenigen Substanzen gehören, die auch in einer Langzeitanwendung keinerlei Organ toxizität mit sich bringen. Das heißt, selbst wenn ich das über Jahre Jahrzehnte nehme, gehen mir die Nieren nicht kaputt, die Leber bleibt heil, das Herz nimmt keinen Schaden.

Das finde ich schon ein ganz, ganz wesentliches Argument. Das Thema Es handelt sich um eine sichere, Rezeptor vermittelte Wirkung, die ein körpereigenes System bedient. Ich erkläre den Menschen, dass wir diese Stoffe in uns selber tragen, dass das Rezeptorsystem ja im menschlichen Körper existiert und das existiert ja nicht ohne Grund. Und dass wir einfach Situationen haben, wo wir von außen eine Dosis zuführen müssen, die der Körper so selber in der Höhe nicht produzieren kann.

Aber dass wir eine körpereigene Wirkung imitieren und dass wir jetzt nicht mit irgendeiner wildfremden Substanz in einen, in ein Gefüge hineingrätschen, wie wir es ja mit vielen anderen Medikamenten machen und ganz großen Haufen von Nebenwirkungen quasi noch mit dazu zum Patienten tragen. Und ich glaube, diese Botschaft kommt bei vielen Patienten auch an andere Thematik ist ja immer Abhängigkeit, also werde ich davon abhängig oder süchtig.

Und auch das kann man Patienten ganz klar erklären, dass dieses Thema körperliche Abhängigkeit im Sinne von Gewöhnung bei Cannabinoiden in der Regel überhaupt kein Thema ist. Ich kann auch nach einer längeren Anwendung die abrupt absetzen, ohne dass die Patienten in der Entzugsymptomatik kommen. Und diese psychische Abhängigkeit im Sinne von Das war so super, das will ich wiederhaben. Dieses Risiko ist bei oraler Cannabinoide Gabe auch bei faktisch Null.

Also von dem her sind das total sichere Substanzen. Und meine Erfahrung ist, wenn man mit Patienten darüber offen redet, das sofort auf den Tisch legt, also auch wirklich proaktiv mögliche Ressentiments anspricht, kann man die super schnell ausräumen. Und ich habe eigentlich überhaupt keine Schwierigkeiten. Patienten eine cannabinoide Therapie, wenn ich es denn medizinisch für sinnvoll erachte, auch schmackhaft zu machen.

Wir haben ja viele Menschen, die unter gravierenden körperlichen Symptomen leiden. Alle körperlichen Beschwerden führen zu einer Grundproblematik. Also wenn es mir permanent schlecht ist, wenn ich Schmerzen habe, wenn ich Luftnot habe, wenn ich andere Belastungen habe, dann ist meine Lebensqualität reduziert bis miserabel. Und von dem Wir müssen alle unsere Bestrebungen immer ein Ziel haben Zum einen die Symptome zu reduzieren, aber das große, übergeordnete Ziel ist immer eine Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität.

Und das hat ganz viel auch mit Entspannungsfähigkeit, mit Schlafqualität, mit weniger Angst zu tun. Und dadurch, dass Cannabinoide unsere körpereigenen wieder Aufladen und Stabilisation Systeme stützen, haben die da auch so eine übergeordnete Rolle, dass sich Menschen auch wirklich besser fühlen unter der Einnahme von Cannabinoiden? Zum einen verbessert die Symptome und zum anderen macht das auch so ein grundsätzliches ich nenne es mal Wohlgefühl oder einfach auch eine Reduktion von Unwohlgefühl, auch im Sinne von schlechte Stimmung.

Und das ist für unsere Patienten total bedeutsam. Oftmals merken es die Patienten gar nicht und ich hole mir immer gerne auch den Partner dazu zu solchen Gesprächen. Und ich erlebt es nicht oft, dass ein Patient vor mir sitzt und sagt Ich habe aber immer noch Schmerzen und dann grätscht der Partner rein, sagt Ja, aber du schläfst besser, du bist besser drauf.

Wir sind abends noch mal weggegangen, du konntest bestimmte Sachen noch mal genießen. Also oft ist auch dieser Blick nahe Angehöriger oder Zugehöriger total wichtig und rückt das Ganze so noch mal in ein richtiges Licht. Und da erlebe ich einfach eine extrem gute Wirk effektivität der Cannabinoide. Also ich würde immer noch gerne differenzieren zwischen Cannabis als Medikament für schwerkranke Menschen und Cannabis als Genussmittel, Rauschdroge oder auch als Möglichkeit für weniger schwerkranke Menschen, sich bei gesundheitsbezogenen Störungen selber zu helfen.

Für die schwerstkranken Patienten bin ich der Meinung, sollte das weiterhin ärztlich induziert gesteuert werden. Die haben so viele Probleme, so viele andere Medikamente. Das muss jemand mit Erfahrung im Blick haben und die Behandlung steuern. Und in meinen Augen muss das auch weiterhin ganz klar vonseiten der Krankenkassen bezahlt werden, weil das sind Menschen, die sich nicht ausgesucht haben, dass sie diese gravierenden Probleme haben.

Und von dem her fände ich es nicht fair und auch keine gute Idee zu sagen So, jetzt ist es legal, besorgst du da irgendwo für dein Geld? Denn diese Menschen brauchen ja eine medizinische Führung und Beratung hat eins und die meisten Schwerkranken und Langzeitkranken zeichnen sich nicht dadurch aus, dass sie nicht wissen, wohin mit ihrem Geld. Und die haben ja ein echtes medizinisches Problem.

Und von dem her finde ich es auch total in Ordnung, dass auch die Gemeinschaft der Beitragszahler für diese speziellen Patienten auch für die Kosten aufkommt. War nie derjenige, der gesagt hat, wir müssen jetzt unbedingt legalisieren, sondern ich sehe das durchaus differenziert und kritisch. Ich bin auch kein Freund davon zu sagen, ab 18, weil mir diese gesundheitlichen Risiken auch bei den Heranwachsenden dann sage ich mal so bis 21 durchaus, da zu sehr aus dem Blick geraten.

Also wenn ich da Verantwortung tragen würde, würde ich definitiv sagen, das sollte also THC haltige Cannabinoide sollten für Menschen vor dem 21. Lebensjahr tabu sein. Man sollte sehr deutlich darüber aufklären, was das für Risiken beinhaltet und wir müssen sehr, sehr viel mehr noch in Prävention, in Aufklärung und Jugendschutz hineingehen. Einfach auch, um Jugendliche und junge Erwachsene vor den möglichen Risiken definitiv zu warnen.

Andererseits muss man sagen Die ja Jahrzehnte bisher schon fast jahrhundertelange Prohibition Prohibitionspolitik ist ja krachend gescheitert und wir sind uns glaube ich auch alle einig, dass in Summe der Risiken. Wenn man das mal betrachtet, dann ist Cannabis vom Risikoprofil her ein schlechter Witz im Vergleich zu Alkohol und Nikotin. Klar kommt immer das Argument Ja, aber die Volksdrogen haben wir ja schon legal.

Auf dem Markt brauchen wir dann noch eine dritte. Aber wie gesagt, wenn ich das einfach mal in den Kontext setze, dann ist das die harmloseste derer drei. Und von dem her bin ich schon auch der Meinung, dass ein anderer und auch etwas entspanntere Umgang auch mit einer dann vielleicht kommenden Legalisierung keine so ganz schlechte Idee ist. Also für mich ist das natürlich ein super schönes Erlebnis, auch wenn ich Menschen helfen kann.

Das heißt, wenn ich Symptome lindern kann, wenn ich merke, es geht Menschen besser. Sie haben noch mal eine verbesserte Teilhabe am Leben. Sie können vielleicht wieder in die Schule gehen, sie können eine Ausbildung beginnen, können die vielleicht auch wirklich abschließen und schaffen auch so diesen Sprung in eine gewisse Selbstständigkeit. Und ich habe halt einfach immer das gute Gefühl dabei, dass ich hier Substanzen einsetze, die mir einfach keine Langzeitschäden bei diesen, bei diesen Menschen setzen, weil ich habe ansonsten als Mediziner ja immer so ein bisschen dieses Unwohlgefühl, irgendwas muss sich anbieten.

Aber ich habe sehr, sehr viele Behandlungsoptionen, wo ich weiß, das geht mit gravierenden Nebenwirkungen einher. Wenn jemand fünf oder zehn Jahre die Substanz nimmt, dann wird das oder das mit einer hohen Wahrscheinlichkeit passieren. Also da schwingt immer so ein bisschen dieses Gefühl mit Ja, ich helfe Menschen, aber was tue ich ihnen auf der anderen Seite vielleicht trotzdem auch an?

Und ist das in einem Verhältnis? Also wir reden ja immer von der medizinischen oder ärztlichen Indikation, Das heißt, ich muss mir immer sicher sein, dass alles, was ich medizinisch tue, für den Betroffenen einen höheren Nutzen hat und damit den möglichen Schaden übersteigt. Und da bin ich mir einfach bei keiner inoiden total sicher, dass ich hier niemand ein gravierenderes Langzeitproblem beschere.

Und von dem her geht das bei mir mit einem richtig guten Gefühl einher.

Warum Recht & Zugang in der Palliativmedizin entscheidend sind

Palliativpatient:innen leiden häufig unter kombinierter Symptomlast – Schmerz, Übelkeit, Appetitverlust, Angst, Schlafstörungen – bei komplexen Medikationsplänen. Medizinisches Cannabis wird hier als zusätzliche Option genutzt, weil es multifaktoriell wirkt und im Rahmen ärztlicher Steuerung oft gut verträglich ist. Verzögerungen beim Zugang verschieben Linderung; daher zielen aktuelle G‑BA-Regelungen auf schnelle, bürokriegarme Wege, vor allem in der SAPV.

Die Grundregel: Erstverordnung genehmigungspflichtig – mit Ausnahmen

  • Erstverordnung: Grundsätzlich vorherige Genehmigung der Krankenkasse erforderlich.
  • Folgeverordnungen, Dosisanpassungen, Wechsel innerhalb standardisierter Extrakte oder innerhalb getrockneter Blüten: keine erneute Genehmigung.
  • Ablehnung: Erstgenehmigung darf nur in begründeten Ausnahmefällen versagt werden.

Neue Arzt‑Ausnahmen seit 17.10.2024: Qualifikation kann Genehmigung ersetzen

Der G‑BA hat festgelegt: Führt die verordnende Person bestimmte Facharzt‑/Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnungen (u. a. Palliativmedizin, Spezielle Schmerztherapie), entfällt die Genehmigungspflicht für die Erstverordnung. Diese Ärzt:innen sollen die Indikationslage und Alternativen eigenverantwortlich bewerten; freiwillige Genehmigungsanträge bleiben möglich

Was Prof. Dr. Sven Gottschling aus der Praxis berichtet

  • Kassenpraxis: Trotz gelockerter Regeln bleiben Konflikte mit Krankenkassen und hohe Begründungsanforderungen spürbar, teils durch BSG‑Folgen.
  • SAPV hilft: In der SAPV ist kein Antrag nötig – spürbare Entlastung für schwerkranke Patient:innen.
  • Versorgungsrealität: Cannabisblüten sind zeitweise schwer verfügbar, u. a. wegen vieler Privatrezepte; Extrakte (z. B. Dronabinol) seien regelhaft verfügbar.

Wer darf verordnen – und mit welchen Prioritäten?

Alle Vertragsärzt:innen dürfen Cannabis verordnen; ein Facharztvorbehalt besteht nicht. Vor Verordnung von Cannabisblüte oder Extrakt soll geprüft werden, ob geeignete cannabishaltige Fertigarzneimittel zur Verfügung stehen und zu bevorzugen sind. Hintergrund ist die Nutzen‑Risiko‑Abwägung und Arzneimitteltherapiesicherheit im GKV‑Kontext.

Antrags-Check: So wird ein Kassenantrag tragfähig (außer SAPV/Qualifikationsausnahme)

  • Indikation: Schwerwiegende Erkrankung mit relevanter Symptomlast und Therapieziel definieren.
  • Vorbehandlungen: Leitliniengerechte Optionen benennen, Gründe für unzureichende Wirkung/Unverträglichkeit darlegen.
  • Behandlungsziel: Patientenzentrierte Outcomes (z. B. Schlafdauer, Übelkeitsepisoden, Schmerzspitzen, Teilhabe) konkretisieren.
  • Verlaufsplan: Engmaschige Dokumentation in den ersten 3 Monaten vorsehen; danach regelmäßige Evaluation.

Fristen und Sonderfälle im Überblick

  • SAPV: Keine Genehmigung; sofortige Versorgung möglich.
  • AAPV oder Anschluss an stationären Beginn: 3‑Tage‑Prüffrist.
  • Standardfall Erstverordnung (ohne Ausnahme): Genehmigung vorab; Ablehnung nur ausnahmsweise.
  • Qualifizierte Ärzt:innen (z. B. Palliativmedizin): Erstverordnung ohne Genehmigung seit 17.10.2024

Formen: Cannabisblüte, Extrakte, Fertigarzneimittel – was passt in der Palliativmedizin?

  • Fertigarzneimittel: Oft bevorzugt zu prüfen; planbare Anwendung, definierte Zusammensetzung.
  • Extrakte: Standardisierte THC/CBD-Gehalte, orale oder oromukosale Gabe, gute Steuerbarkeit im Verlauf.
  • Cannabisblüte: Inhalativ rascher Wirkungseintritt; zeitweise Lieferengpässe und private Marktverschiebungen erschweren GKV‑Versorgung.

Typische Stolpersteine – und wie sie vermeidbar sind

  • Unklare Zieldefinition (nur „Schmerz besser“ reicht selten) – besser messbare, alltagsnahe Ziele vereinbaren.
  • Fehlende Dokumentation der Vorbehandlungen – Leitlinienpfade und Unverträglichkeiten präzise aufführen.
  • Unpassende Produktwahl ohne Prioritätsprüfung – erst Fertigarzneimittel prüfen und begründen.
  • Kommunikationslücken mit Kasse – vollständige, strukturierte Begründung beschleunigt Entscheidungen.

Telemedizin, Graumarkt und Privatrezepte: Was seriös ist – und was nicht

Prof. Gottschling warnt vor Plattformen mit Privatverordnungen ohne echten Arzt‑Patienten‑Kontakt: Das sei keine seriöse Medizin und gefährde Versorgung, etwa durch Marktverzerrungen bei Blüten. Für Palliativpatient:innen sei ärztliche Steuerung zentral; SAPV/AAPV-Strukturen sichern Qualität, Monitoring und Zugänglichkeit.

Rechtlicher Kontext kompakt

  • Rechtsgrundlage medizinischer Einsatz: G‑BA-Regelungen seit 30.06.2023; AM‑RL §4a und Abschnitt N §§44–46.
  • SAPV‑Ausnahme: Keine Genehmigung; AAPV/Anschluss stationär: 3‑Tage‑Frist.
  • Qualifikationsausnahme: Genehmigung entfällt für bestimmte Facharzt-/Zusatzbezeichnungen seit 17.10.2024.
  • Facharztvorbehalt: Keiner – alle Vertragsärzt:innen dürfen verordnen.

Ausblick/Fazit: Schnellerer, sicherer Zugang – mit klaren Spielregeln

Für Palliativpatient:innen verkürzen SAPV‑Ausnahme, 3‑Tage‑Frist in AAPV/Anschluss stationär und Qualifikationsprivileg den Weg zu Medizinischem Cannabis – ohne die Sorgfaltspflicht beim Erstentscheid zu senken. Praxisstimmen zeigen jedoch: Gute Begründung und strukturierte Ziele bleiben entscheidend, Konflikte mit Kassen bestehen, und Marktengpässe – besonders bei Cannabisblüte – erfordern Flexibilität in der Produktwahl. Das Ziel bleibt unverändert: spürbare Entlastung der Symptomlast und bessere Lebensqualität – so schnell wie möglich, so sicher wie nötig.

Quellen:

  • Gemeinsamer Bundesausschuss (G‑BA). Pressemitteilung: Regelung zur Verordnung von medizinischem Cannabis; SAPV‑Ausnahme, 3‑Tage‑Frist, Folgeverordnungen. 30.06.2023.
  • G‑BA. Pressemitteilung: Genehmigungsvorbehalt – Ausnahmen nach Qualifikation (u. a. Palliativmedizin, Spezielle Schmerztherapie). 18.07.2024.
  • G‑BA. FAQ zur Verordnung von medizinischem Cannabis; AM‑RL §4a und Abschnitt N §§44–46; Facharztvorbehalt, Prioritätsprüfung, Inkrafttreten 30.06.2023/17.10.2024.
  • AOK. Medizinisches Cannabis auf Rezept: Änderungen bei der ambulanten Versorgung; Erstgenehmigung, Folgeverordnungen, Prioritätsprüfung, Monitoring, SAPV/AAPV-Regeln. 2025.
  • KVB (Bayern). Verordnungsfähigkeit von Cannabis – Überblick, Genehmigungsvorbehalt, Qualifikationsausnahmen (ab 17.10.2024).
  • KV Nordrhein. Verordnungsinfo: Cannabis nicht mehr BtM; SAPV ohne Genehmigung; Genehmigungserfordernis Erstverordnung.
  • ÄrzteTag‑Podcast. „Wie läuft’s inzwischen mit Cannabis auf Kassenrezept?“ – Interview mit Prof. Dr. Sven Gottschling; Kassenpraxis, SAPV‑Erleichterung, Blütenengpässe, Extrakte. 2024.

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Häufig gestellte Fragen

Es gibt viele Erfahrungsberichte von Krebs- und ALS-Patient:innen. Auch Patient:innen über 70-Jahren vertragen Medizinalcannabis meist gut, wenn die Dosierung individuell angepasst wird. Die Therapie mit Medizinalcannabis sollte immer ärtzlich begleuetet werden.

Ja, Cannabis kann viele Beschwerden in der Palliativversorgung lindern. Viele Patienten berichten, dass sie dank Cannabis wieder besser essen und schlafen können.

Medizinalcannabis kann bei Krebspatient:innen positive Effekte auf Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Appetitstörungen, Schlafprobleme und Müdigkeit haben. Auch bei Patient:innen mit Demenz sowie bei AIDS-Patient:innen mit Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen wurden positive Wirkungen beobachtet. Insgesamt kann sich dadurch die Lebensqualität verbessern.1,2

1 Rasche, T., Emmert, D., Radbruch, L. et al. Cannabis und Cannabinoide in der Palliativversorgung. Bundesgesundheitsbl 62, 830–835 (2019). https://doi.org/10.1007/s00103-019-02967-1

2 Doppen M, Kung S, Maijers I, John M, Dunphy H, Townsley H, Eathorne A, Semprini A, Braithwaite I. Cannabis in Palliative Care: A Systematic Review of Current Evidence. J Pain Symptom Manage. 2022 Nov;64(5):e260-e284. doi: 10.1016/j.jpainsymman.2022.06.002. Epub 2022 Jun 12.

Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für eine Therapie mit Medizinalcannabis bei Palliativpatient:innen grundsätzlich, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Voraussetzung für den Einsatz von Medizinalcannabis sind, dass eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt, herkömmliche Behandlungsmethoden nicht ausreichend wirksam sind und eine begründete Aussicht besteht, dass sich der Krankheitsverlauf oder die Symptome durch Medizinalcannabis verbessern lassen.

Medizinalcannabis kann teilweise mit anderen Schmerzmitteln kombiniert werden. Viele Patient:innen können dadurch ihre Opioid-Dosis reduzieren.7 Die Kombination sollte aber immer ärztlich überwacht werden, da Wechselwirkungen auftreten können.

7 Lucas P, Boyd S, Milloy MJ, Walsh Z. Cannabis Significantly Reduces the Use of Prescription Opioids and Improves Quality of Life

Medizinalcannabis kann in der Palliativversorgung in Einzelfällen andere Medikamente ergänzen oder deren Dosis reduzieren. Änderungen in der Medikation sollten immer ärztlich überwacht werden.1

1 Rasche, T., Emmert, D., Radbruch, L. et al. Cannabis und Cannabinoide in der Palliativversorgung. Bundesgesundheitsbl 62, 830–835 (2019). https://doi.org/10.1007/s00103-019-02967-1

Der in Medizinalcannabis enthaltene Wirkstoff CBD wirkt angstlösend und stimmungsaufhellend. In Kombination mit THC kann es Ängste lindern und für innere Ruhe sorgen.

Nein, die Wirkung ist individuell unterschiedlich. Etwa 75% der Patienten berichten von Verbesserungen. Wenn Cannabis nicht hilft, gibt es andere Optionen - Ihr Arzt findet mit Ihnen die beste Lösung.